Der Film erschliesst sich von seinem Ende her. Kurz vor den Schlusstiteln sieht man ein Foto von Elton John und seinem Mann David Furnish; das stolze Elternpaar hält seine Söhne Zachary und Elija in die Kamera. Eine Familienidylle. Im Abspann des Films wird Furnish dann als organisierender Produzent genannt, Elton John als Executive. Die 40 Mio. Dollar, die das Ganze gekostet hat, sind also eine Investition der Familienfirma John-Furnish.
Warum sollte man sich den Film dennoch ansehen? Elton John ist seit nunmehr 25 Jahren brav liiert. Aus dieser Zeit gibt es musikalisch und performativ nichts, was einen noch vom Hocker gerissen hätte. Doch die Zeit davor, besonders die frühen Siebziger, und von ihnen erzählt der Film, hatten es in sich. Sie waren, mehr als Glam, Flower Power und Pop alleine, die Ära des Elton John; all das kulminierte in ihm. Für den Mann selbst waren das schlimme Jahre, doch der Welt brachten sie all die Hits, die man die ganze Erzählung über mitsummt. Dazu die verrückten Outfits, die bizarren Brillen, das übertriebene Bühnegehabe des artifiziellen “Rocket Man”. In einer wunderbaren Sequenz sitzt das Kind Elton, da noch Reggie, am Grund eines Swimmingpools und singt den titelgebenden Song; als nächstes taucht der erwachsene Elton aus dem Pool auf, wo er sich ertränkte wollte; am Ende des Songs zischt er aus einer Konzertarena auf einer Rakete in den Pop-Himmel, wo Sir Elton John auf immer einen der besten Plätze innehaben dürfte.
Das ganze Spektaktel ist aber weit mehr als Nostalgie. Vor wenigen Jahren wäre es noch unmöglich gewesen, männlich-homosexuelle Liebe, auf Deutsch: Schwulsein so entspannt, normal und fröhlich abzubilden. Selbst die schiefgegangenen Lieben werden nicht dämonisiert, wie überhaupt dem Film wenig an echter Psychologie liegt. Die schwierige Kindheit, der Vater, der sein Kind nicht liebt, die oberflächliche Mutter kommen dermaßen karikiert daher, dass man die Idee, der Mann könnte seine Extravaganz von hierher haben, schnell verwirft. An Bohemian Rapsody (ebenfalls von Dexter Fletcher) konnte man sehen, wie sehr ein solches Motiv im Mittelpunkt stehen kann, ohne dass es auch nur das geringste zur Essenz beiträgt, zur Entstehung epochaler Musik. Immerhin deutet Rocketman an, dass Elton lange in seinen kongenialen Texter Bernie Taupin verschossen war. Der aber blieb, da hetero, der platonisch geliebte “Tiny Dancer”.
Die Stärke des Films liegt nicht zuletzt in seinem Desinteresse daran, die Entstehung der Musik ernsthaft über die Story zu motivieren. Darüber stolperte I walk the Line, der das Subgenre der musikalischen Biographie mit der Figur Johnny Cash vor Jahren neu belebte, genau wie jüngst Ich mach mein Ding zu Udo Lindenberg. Besser machte es zuletzt Yesterday, der die Beatles selbst aus der Erzählung heraus ließ. Auch Bruce Springsteen taucht in dem amüsant-bedenkenswerten Blinded by the Light nicht selbst auf, doch seine Musik rettet ein Leben. Wir zeigen den Film, der die besten Vibrations all der neuen Musical Biopics verströmt, dem derzeitigen Plan nach am 17. September in der Zimmerei Harth.