Let us now praise famous men, “lasst uns jetzt berühmte Menschen preisen”, heißt ein Fotobuch aus der Zeit der Großen Depression. Im Mittleren Westen der USA hatten Abertausende von kleinen Grundbesitzern ihr Hab und Gut verloren. Als Reaktion ließ die Regierung Roosevelt durch die Kamera von Walker Evans und anderen dokumentieren, wie diese Menschen trotz allem ihre Würde bewahrten.
Berühmte Menschen preisen, das wäre ein gutes Motto auch für das feine kleine Roadmovie, das ich diese Woche empfehle. Der Film ist vier Jahre alt, aber seine Bilder, stelle ich mir vor, passen genau für das, was sich heute und in naher Zukunft in den USA abspielen wird: Verzweifelte Menschen, die nach jedem Strohhalm greifen, um im ehemals reichsten Land der Welt irgendwie zu überleben. Hell or High Water wurde auch als Neowestern bezeichnet, weil zwei Brüder mit dem Auto durchs Land fahren und eine Bank nach der anderen überfallen. Im Western ging es immer darum, die schlechten Gesetze (des Staates) durch solche zu ersetzen, die man selber macht. Der Staat, das große Geld, die Industrie: Auf sie baut man ja wohl besser nicht. “Sie berauben die Banken, die uns 30 Jahre lang beraubt haben”, sagt der Beobachter eines Überfalls zu seinem Nachbarn. Daher rührte auch niemand einen Finger, um die Polizei zu rufen.
Tanner (Ben Foster) und Toby (Chris Pine) sind zwei ungleiche Brüder, die sich mögen. Sie finden zusammen, nachdem Toby aus dem Knast nach Hause gekommen ist, um die Schulden zu begleichen, die auf der geerbten Farm lasten. Dafür überfallen die Brüder stets Filialen der Texas Midland Bank, die ihre Hypotheken einfordert. Tanner ist impulsiv und unberechbar, der jüngere Toby einfühlsam und sympathisch, doch auch gebrochen. Er leidet unter einer Trennung und sieht seine beiden Söhne selten.
Dem Brüderpaar steht auf der Seite des Gesetzes ein alternder, kranker Texas Ranger und sein Partner indianischer Abstammung gegenüber, die sich gegenseitig so liebevoll wie hartnäckig befrotzeln. Zwischen diesen vier Männern spielt sich das Drama des Films ab, von dem ich hier nichts weiter verrate. Nach dem bisher Gelesenem könnten Sie einen reinen Männerfilm erwarten. Der Erwartung sei widersprochen: Es gibt durchaus harte Szenen, aber abgesehen davon, dass Gewalt Frauen kaum mehr schreckt, möchte ich darauf hinweisen, dass ganz am Ende eine zutiefst humane Geste steht. Die eingangs genannten “Men” verweisen eben auf alle Menschen, nicht bloß auf Männer.
Daher ist der Film auch mehr als eine Schilderung der Situation nach der vorletzten flächendeckenden Krise in Amerika. Das Finanzdesaster von 2008 ersetzt heute nur ein noch weniger sichtbarer Feind. Der Film Hell or High Water macht deutlich, dass es wie damals weniger um Schuldzuweisungen gehen sollte, sondern um die Haltung, die jede/r Einzeln/e zu dem Desaster einimmt. Dabei gibt es eigentlich auch keine Wahl: Hölle oder Hochwasser, zu deutsch zeitgemäß vielleicht: Pest oder Corona, die Devise ist: Mensch bleiben. Was einem beim Genuß dieses vollkommen unprätentiösen Films durch das Wiedersehen mit Jeff Bridges (der Dude aus The Big Lebowski) und dem Wiederhören der betörenden Songs von Nick Cave ziemlich intensiv nahegelegt wird.