Hostiles handelt von einander feindlich gesinnten Amerikanern: hier marodierende, zum Morden bereite Komantschen, dort eine weiße Siedlerfamilie. Beide treffen zu Beginn des Films von Scott Cooper aufeinander. Man ahnt gleich, wie das Ganze ausgeht. Dieser Anfang ist der forderndste Part des Films, er hat eine unvergleichliche Wucht; das Gemetzel an der weißen Familie überlebt nur die Mutter, halb wahnsinnig natürlich. Ausgerechnet sie tritt auf lange Sicht für Versöhnung, für den Glauben ans Gute im Menschen ein.
Ich hätte den Film als “im Kino gesehen” zur Ruhe gelegt, wenn er nicht eine offene Hommage an den vielleicht komplettesten amerikanischen Film überhaupt wäre, an The Searchers (1956) von John Ford. Hier findet die Auslöschung der Familie nach 20 Minuten Filmzeit statt. John Waynes Wahn beginnt, als er das Massaker entdeckt. Der Ex-Soldat sucht dann wie besessen sieben Jahre lang nach der letzten Überlebenden, einer Nichte. Die Rolle des legendären Duke übernimmt in Hostiles Christian Bale, als der Army noch dienender, von seinen psychischen Narben aber ebenfalls geprägter Captain.
“Sie selbst sind kein Engel”, sagt einer der Soldaten zu ihm. Und davon handelt der Film: Wie können Menschen den Rest ihres Lebens verbringen, wenn sie Unbeschreibliches gesehen, ja selbst mitgestaltet haben? Wie in The Searchers stehen sich Weiße und “Rothäute” im unversöhnlichen Hass aufeinander erst einmal in nichts nach; in beiden Filmen funktionieren die jeweiligen Anführer wie das Spiegelbild, in dem man den Anderen sieht und doch man selbst bleibt. Spiegel sind Hilfen zur Erkenntnis. Die kommt in Hostiles langsam und mit Hilfe der Sidekicks, die alle längst genug haben vom Hass. Und doch noch alle durch Gewalt sterben.
Wie könne man John Wayne hassen für seine politisch reaktionäre Haltung, schrieb Jean-Luc Godard, und wie könne man ihn lieben, wenn er Natalie Wood im entscheidenden Moment von The Searchers abrupt in die Arme nimmt und hochhebt, so wie einst als kleines Mädchen? Diese Stelle ist für mich immer ein Beweis dafür gewesen, dass Film doch keine primär epische Kunst ist, sondern eine Augenblickskunst. Schauen Sie die Kathedrale des amerikanischen Films unbedingt einmal an, die The Searchers für viele Cineasten darstellt, und kommen Sie danach zu The Hostiles zurück.
Der ist zwar geradezu elegisch erzählt, und all seine Figuren haben eine Entwicklung. Und doch sind es immer Miniaturen, Momente von Zärtlichkeit und Gewalt, von Hass und Annäherung, die emotional berühren: Wenn etwa die beeindruckende Mrs. Quaid (Rosamund Pike), vom Verlust ihrer Familie gezeichnet, kurzfristig auch noch entführt und vergewaltigt wird, im übrigen gemeinsam mit Indianerfrauen, und sich dann dem Captain doch wieder nähern kann. Das Subgenre der “White Captive” ist hier angesprochen, und damit auch das Thema der “Kontamination der amerikanischen Rasse”, das The Searchers so grandios anschob, indem es einen durchaus imposanten Rassisten zeigte. Zwei Western, ein Thema und ein Genre, das nicht in erster Linie vergangene Geschichte illustriert. Paraphrasiert wird vielmehr jeweils die Gegenwart, die eigene Zeit. Kaum ein Kunstwerk könnte aktueller sein.