FILMTIPP #16: HOSTILES VON SCOTT COOPER (USA 2017). NETFLIX.

Bildquelle: film-rezensionen.de

Hostiles handelt von einander feindlich gesinnten Amerikanern: hier maro­die­ren­de, zum Morden bereite Ko­mant­schen, dort eine weiße Siedlerfamilie. Beide tref­fen zu Beginn des Films von Scott Cooper aufeinander. Man ahnt gleich, wie das Ganze ausgeht. Dieser Anfang ist der forderndste Part des Films, er hat eine unvergleichliche Wucht; das Gemetzel an der wei­ßen Fa­mi­lie überlebt nur die Mutter, halb wahnsinnig natürlich. Ausge­rech­net sie tritt auf lange Sicht für Versöhnung, für den Glauben ans Gute im Menschen ein.

Ich hätte den Film als “im Kino gesehen” zur Ruhe gelegt, wenn er nicht eine offene Hommage an den vielleicht komplettesten amerikanischen Film über­haupt wäre, an The Searchers (1956) von John Ford. Hier findet die Auslö­schung der Familie nach 20 Minuten Filmzeit statt. John Way­nes Wahn be­ginnt, als er das Massaker entdeckt. Der Ex-Soldat sucht dann wie be­sessen sieben Jahre lang nach der letzten Überlebenden, einer Nichte. Die Rol­le des legen­dären Duke übernimmt in Hostiles Christian Bale, als der Ar­my noch die­nen­der, von seinen psychischen Narben aber ebenfalls  geprägter Captain.

“Sie selbst sind kein Engel”, sagt einer der Soldaten zu ihm. Und davon han­delt der Film: Wie können Menschen den Rest ihres Lebens verbringen, wenn sie Unbeschreibliches gesehen, ja selbst mitgestaltet haben? Wie in The Sear­chers stehen sich Weiße und “Rothäute” im unversöhn­li­chen Hass auf­ein­ander erst einmal in nichts nach; in beiden Filmen funktionie­ren die jewei­ligen Anführer wie das Spiegelbild, in dem man den Anderen sieht und doch man selbst bleibt. Spiegel sind Hilfen zur Erkennt­nis. Die­ kommt in Hostiles langsam und mit Hilfe der Sidekicks, die alle längst genug haben vom Hass. Und doch noch alle durch Gewalt sterben. 

Wie könne man John Wayne hassen für seine politisch reaktionäre Haltung, schrieb Jean-Luc Godard, und wie könne man ihn lieben, wenn er Natalie Wood im entscheidenden Moment von The Searchers abrupt in die Arme nimmt und hochhebt, so wie einst als kleines Mädchen? Diese Stelle ist für mich immer ein Beweis dafür gewesen, dass Film doch keine primär epische Kunst ist, sondern eine Augenblickskunst. Schauen Sie die Kathedra­le des amerikanischen Films unbedingt einmal an, die The Searchers für viele Cineasten darstellt, und kommen Sie danach zu The Hostiles zurück.

Der ist zwar geradezu elegisch erzählt, und all seine Figuren haben eine Ent­wicklung. Und doch sind es immer Miniaturen, Momente von Zärtlichkeit und Ge­walt, von Hass und Annäherung, die emotional berühren: Wenn etwa die be­eindruckende Mrs. Quaid (Rosamund Pike), vom Verlust ihrer Familie ge­zeich­net, kurzfristig auch noch ent­führt und vergewaltigt wird, im übrigen gemeinsam mit India­ner­frauen, und sich dann dem Captain doch wi­eder nähern kann. Das Subgenre der White Captive” ist hier angespro­chen, und damit auch das Thema der “Kon­tamina­tion der amerikanischen Rasse”, das The Searchers so grandios anschob, indem es einen durchaus imposanten Rassis­ten zeigte. Zwei Western, ein Thema und ein Genre, das nicht in erster Linie ver­gangene Geschichte illustriert. Paraphrasiert wird vielmehr jeweils die Ge­gen­wart, die eigene Zeit. Kaum ein Kunstwerk könnte aktueller sein.

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