Mitten im Film geht der hochmoralische, für einen integren Durchsetzer des Rechts aber zu impulsive und brutale Cop Bud White (Russell Crowe) an einem Kino vorbei. Es läuft Beauty and the Beast (1946), der französische Klassiker von Jean Cocteau. Damit bekommen wir nicht nur einen subtilen Hinweis auf eine Grundkonstellation einiger Personen des Films zueinander, wir wissen auch das Datum, nach dem die Geschichte spielt: Nimmt man den verzögerten Start europäischer Filme in den USA mit in den Blick, sind wir in den späten 40er Jahren. Die Marktmacht Hollywoods wurde von Europa aus angegriffen. Am Ende lief es wie immer. Das Imperium schlug zurück.
Die letzten Jahre habe ich mich intensiv mit Malerei des frühen 17. Jahrhunderts auseinander gesetzt, weil einige Künstler dieser Zeit jener Epoche außerordenlich prä-kinematographisch arbeiteten. Ein Aspekt dieser Verwandtschaft ist das atmosphärische Licht, das selten logisch nachzuvollziehen ist, dafür aber umso intensiver für Atmosphäre sorgt. Der echte Film Noir ist in dieser Hinsicht ein legitimer Nachfolger des gemalten Leinwandbildes. Hier heißt das Licht, das kausal gar nicht von Fenstern oder Lampen kommen kann, Mystery Lighting. Die Blütezeit des Noir währte fünf Jahre, von 1945-50. Danach setzte die Avantgarde immer weniger auf mysteriöse Reduktionen der Gestaltungsmittel Licht und Chiaroscuro.
Den Film noir gab es aber weiter. Der französische Film policier nahm die Spur früh auf, und auch Hollywood entdeckte die Erfolgsformel irgendwann wieder. Ab da hieß die Phänomen Neo-Noir, ließ aber Licht und Dunkel als expressive Elemente weg. Dafür spielten die Filme weiter in der Nachkriegszeit, die Helden sind gebrochen, die Polizisten dafür umso korrupter, je höher sie in der Hierarchie stehen. Zunehmend waren diese Filme gut ausgestattet, vergnügten sich Setdesign und Budget auf höchstem Niveau miteinander.
Black Dahlia von Brian de Palma (2006), nach James Ellroy, spielt 1947 und und wurde tatsächlich in Bulgarien gedreht. Chinatown von Roman Polanski (1975) ist der Klassiker des Sub-Genres, in dem Hollywood sich selbst überaus gern spiegelt, spielt es doch am Genius Loci, in Los Angeles. Chinatown ist immer noch ein großartiger & eingängiger Film. Über Polanski will ich aber nicht schreiben.
Also L.A. Confidential, der alle beschriebenen Bestandteile eines Neo-Noir hat. Kim Basinger gibt die geheimnisvolle Frau, die viele Männer begehren, als glamouröses Veronica Lake-alike. Es geht u.a. um einen Callgirlring, der Huren wie Doubles von Schauspielerinnen ausstattet. Das führt nebenbei zu einem bösen Scherz auf Kosten von Lana Turner. Die Story, wieder nach einem Ellroy-Roman, ist im Großen und Ganzen unüberschaubar, man versteht nicht einmal, wer nun eigentlich der Protagonist sein soll. Lange sieht es nach Russell Crowe aus, dann spielt sich Kevin Spacey nach vorne. Guy Pearce hält erstaunlich gut mit. Danny de Vito ist ein origineller Berichterstatter.
Im Ganzen ein preziöser Bilderbogen, bedenkenlos zu empfehlen, wenn man sich einen entspannten Abend am Bildschirm machen will. Hollywood eben. Die Schöne und das Biest. Nie die Spitze des Eisbergs, aber immer das riesige Fundament unter Wasser. Die Torte unten, auf der oben ein paar fremdartige Kerzen brennen. Wenn ich es recht überlege, wäre Die Schöne und das Biest der bessere Titel für den Film, von dessen Story man nicht viel kapieren muss; dafür wirkt die Harmonie und Eindringlichkeit seiner Schauwerte und die Psychologie der einzelnen Figuren, die tatsächlich jede/r versteht.