Eine Liebesgeschichte, die nicht zur Liebe wird. Zum Abschied gibt es nur einen herzlichen Kuss. Die beiden Beteiligten waren und sind zu verschieden, und das wissen sie. Da ist der von seinem Leben wahrhaft ernüchterte Schauspieler Bob, der nach Japan gereist ist, um für zwei Mio. Dollar eine Whiskey-Werbung ‚auf japanisch‘ aufzunehmen, der als Argument für den Kurztrip aber vor allem vorbringt, daraufhin wirke der Whiskey endlich wieder. Bob trifft die junge Charlotte, jüngst in Philosophie graduiert, die ihrem mehr hibbeligen als hippen Ehemann als Begleitung unnütz ist. Wegen seinem Job hat er kein Auge für sie.
Zwei verlorene Seelen? Traurig und sentimental? Kein bißchen. Ein Fest für uns. Bill Murray erschien nie entspannter und lockerer. Es muss für ihn, den seinerzeit 53-jährigen, selbst ein Fest gewesen sein, mit einer 20 Jahre jüngeren Regisseurin zu arbeiten, einer generell jungen Crew und einer 19-jährigen Partnerin, die so natürlich wie irgend möglich agiert. Murrays trockener, aber nie verletzender Zynismus ist perfekt am Platz. Es dürfte dem erfahrenen Schauspieler eine Freude gewesen sein, private jokes einzubringen, zumal Coppola der Improvisation Raum ließ und vieles integrierte, was beim Drehen auftauchte. Niemand schaut außerdem schöner als Murray nicht in die Kamera und fragt uns implizit dennoch dauernd, was dieser ganze Quatsch, Leben genannt, eigentlich soll. Anfang dieser Woche ist Bill Murray im übrigen 70 Jahre alt geworden.
Man weiss dagegen nicht schon alles, wenn man jung ist. Manche Erfahrung muss man halt machen. So lautet die Lektion für Charlotte, hinreißend eigentlich-nicht-gespielt von Scarlett Johannson. Sie sitzt gern am Fenster und guckt von oben auf Tokio herunter, sie reagiert auf vieles, sie versucht ihren Mann zu lieben; sie interessiert sich sogar für Japan, besucht Tempel. Doch diese Figur muss nicht irgendwie sein. Hier liegt das Geheimnis von Lost in Translation. In amerikanischen Filmen bekommen Leute normalerweise eins auf die Nase, rappeln sich auf und fighten zurück. Hier hingegen nur das richtige Leben – so banal, so reich, und jeden Tag kommt es einfach so wieder.
Coppola macht reichlich Gebrauch von der japanischen Popkultur, die auf den Mitteleuropäer sehr fremd wirkt. Amerikaner können damit besser umgehen, schließlich haben sie Las Vegas gebaut. Und sie machen sowieso immer aus allem das Beste. Das zeigt sich in der Szene, in der so etwas wie filmische Wahrheit aufblitzt: Charlotte, Bob und andere feiern, die Stimmung kocht, man flirtet, tanzt, dann gibt es Karaoke mit Texten vom Teleprompter. Murray, der kein bißchen singen kann, versucht sich an „What‘s so funny about Peace, Love & Understanding“ von Elvis Costello und „More than this“ von Roxy Music. Johannson, jetzt rosa perückt, hört hingerissen zu, ebenso wie alle Japaner, die von diesem Ausbruch echten Gefühls (in falschen Tönen) begeistert sind. Ein solches Cover schlägt jedes Original. Anglo-amerikanische Musik, die den ganzen Film begleitet & gliedert, verhilft uns wie kaum sonst was aus dem letzten Jahrhundert zu Gefühlen umso mehr, wenn sie auch noch ‚aufgeführt‘ authentisch wirken. Andere werden andere hinreißende Stellen in dem Film finden, aber sie werden sie finden.
Momente von Wahrheit. Nicht der Logik der Story, der Begründung, sondern des Beweises, mit dem man zuschauend mitzugehen bereit ist. Eine unvergleichliche Ökonomie der Mittel, von der Regisseurin mit dem berühmten Namen wohl auf den Spuren, aber dann doch in Differenz zum Vater erreicht. Statt Neobarock, Neorealismus. So genau wie Antonioni, aber im Vergleich: pures Amüsement. Ein Film, der glücklich macht, weil die Situation der beiden Protagonisten zum Heulen ist.