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Härteste historische Realität, fabuliert über die Phantasien einer Zehnjährigen. Spanien im Jahr 1944: Ofélia folgt ihrer schwangeren Mutter in eine waldige Gegend in Nordspanien, wo die beiden den Stiefvater des Mädchens treffen sollen. Der bekämpft als Kommandant eines falangistischen Außenpostens versprengte Partisanen genauso inhuman und brutal, wie er seine Stieftochter zu erziehen versucht. Von Anfang sieht man auch überdimensionierte Insekten im Bild, die das Mädchen für Feen hält und mit denen sie irgendwie auch kommuniziert. Ein Bote lockt Ofelia in ein steinernes Labyrinth, in dem ein bizarrer, übermenschlich großer Faun wohnt. Er nennt das Mädchen Königstochter.
Ofélia soll drei Prüfungen bestehen, um ihre Tauglichkeit als Prinzessin zu beweisen. Als erstes tötet sie eine riesige Kröte, die einen magischen Baum am Wachsen hindert. Die Mutter hat einen Blutsturz. Ofélia entkommt einem augenlosen Homunkulus, verpatzt aber die zweite Prüfung. Die Falangisten reiben eine Gruppe Widerständler auf. Die Gewalt eskaliert. Die Mutter stirbt bei der Geburt. Das Baby lebt. Es ist der vom Vater ersehnte Junge. Es kommt zum Showdown, in dem der Faun Ofélia noch eine Chance gewährt. Viel mehr sei nun nicht verraten, außer, dass Ofélia in einer letzten Phantasie zur Königin erhoben wird.
Ein Fairy Tale für Erwachsene, als Geschichtsparabel durchaus ernst zu nehmen. Und harter Realfilm, gepaart mit Animation: Mixturen, die es schwer haben, weil angesiedelt zwischen angestammten Sehgewohnheiten. Die FSK sprach zu Recht eine Freigabe ab 16 aus. Warum nur aber haben wir Deutschen Probleme mit Animationsfilmen für Erwachsene wie Waltzes with Bashir (2008), L‘Image manquante (2013) oder Anomalisa (2015), die anderswo Erfolge bei der Kritik und beim Publikum waren? Kinder und Jugendliche stehen drauf. Wir Ältere tun uns schwer. Offenbar ist Animation bei uns mit Adoleszenz konnotiert.
Doch hat gerade Pans Labyrinth großes Erkenntnispotential. Wir blicken auf den spanischen Faschismus ja als historisches Parallelphänomen, das sich allerdings durch seinen langjährigen und breiten Widerstand unterschied, die Volksfront, der sich bekanntlich Freiwillige aus allerlei Ländern anschlossen und die an Francos eisernem Regime schließlich scheiterte. An Del Toros Film erkennt man wesentliche Gründe dafür: Faschismus ist stumpf, menschenverachtend und äußerst brutal; dagegen die Sicht des Kindes, die naive Phantasie, die Unschuld, die noch ganz andere Feinde kennt, mit denen man sich immerhin aktiv auseinander setzen kann. Ofélia ist klein, schwach, und sie ist ein Mädchen. Genau das macht sie für uns stark und groß in diesem Film.
Die Welt sei ein grausamer Ort, und Zauberei gäbe es nicht, bekommt Ofélia gesagt. Wir erkennen deutlich, dass allein diese Eigenschaften helfen können in einer Welt, in der Primärfarben fehlen, in der es keine normale Entwicklung für ein heranwachsendes Menschenwesen gibt. Folgerichtig flüchtet sich das Kind mit seiner Phantasie in die Fabel.
Nicht viel Anderes hatte Francisco de Goya im Sinn, als er vor 200 Jahren die Gräuel eines ähnlich zerrissenen Spaniens zu Papier brachte. „Verhängnisvolle Folgen des blutigen Krieges in Spanien gegen Bonaparte und andere ergreifende Launen“ nannte Goya seine Serie. Launen, caprichos, damit meinte Goya den überbordenden Ausbruch an Fabulierlust, an gespannter Emphase in jedem Strich seiner Radiernadel. Vor solch geballter Einbildungskraft hatte Goyas Zeitgenosse Goethe noch Angst, der diese Kraft als mächtigen Feind bezeichnete, mit ihrem von „Natur aus unwiderstehlichem Trieb zum Absurden, der selbst im gebildeten Mensch mächtig wird“. Nur so aber entstand Kunst, die wir heute in eigens errichteten Museen bewundern. Moderne Medien habe solche Ängste erweitert. Am Ende sind sie immer bezähmbar. Ein Museum braucht ein Film wie Pans Labyrinth nicht. Ein Publikum unbedingt.