Im Weingut Mett & Weidenbach sind die Filmfreunde seit ihren Anfängen zu Gast, und nur einmal hat es, soweit ich mich erinnere, in all den Jahren in den schönen Innenhof kurz hineingeregnet. Ansonsten ist der traditionelle Termin zu Beginn der Sommerferien immer ein Highlight im F!F-Jahresprogramm: ein Fest mitten in der heißen Jahreszeit an Stehtischen und in der Probierstube, wo man sich über dies und jenes, vor allem aber hoffentlich über die Vorfreude auf den Film und danach über den Eindruck austauscht. Inspirierende Getränke und Speisen gibt es dazu immer in feinster Qualität und ausreichender Menge.
Problematischer, wenngleich originell, ist die Kelterhalle, in der der Film läuft; obwohl einige Versuche zur Abhilfe unternommen wurden, bleibt die Akustik, bleibt der Hall ein Problem. Wir helfen uns 2023, in dem wir einen deutschen Film mit deutschen Untertiteln zeigen. Zur Auswahl ein paar Anmerkungen, in Stichworten.
I. Firnis
Ein wiederkehrendes Bild des Films ist das Eindringen der Kamera in eine Welt, die unter der Oberfläche liegt. Sei es, dass einem Tier das Fell abgezogen wird, sei es die Entfernung des Dickdarms aus einem toten Wildschwein, seien es direkt die Eingangsbilder von Würmern und Maden im Waldboden: Der Film zeigt uns, dass hinter jeder noch so gelackten, versiegelten Oberfläche etwas ganz anderes liegt und lauert. Damit wird dieses Bild zum Emblem einer Zeit, in der uns, speziell hier in Ingelheim, immer noch sehr gut geht: trotz Pandemie, Krieg und Inflation.
II. Die dunkle Atmosphäre des Waldes
Der Wald ist ein urdeutsches Thema, quasi der Ort, über den wir uns seit den Germanen, allerspätestens seit der Romantik quasi auf unsere Nationalität verständigen. Dazu haben wir Filmfreunde letztes Jahr bereits eine Filmnacht veranstaltet, auch einen Blogbeitrag gibt es dazu, “Der Wald, das ferne deutsche Wesen” (# 101). Auch da ist der Wald alles andere als romantisch beschrieben, vielmehr ein Hort der Gefahr. In unserem neuen Film wollen einige Männer, um die drohende wirtschaftliche Pleite abzuwenden, einen Waldwipfelpfad errichten; doch merkt man spätestens, wenn Anja Grimm, eine Protagonistin, die ihren Nachnamen sicher nicht ganz zufällig trägt, eine gegen den Strich gebürstete, blutrünstige Version von Hänsel und Gretel zum Besten gibt, dass auch mit diesem Wald etwas nicht stimmt.
III. Die Provinz – in Bayern
Der Film führt uns nach Bayern. Nun kennt jeder Bayern, aber nicht alle wissen, wie vielfältig dieses Land wirklich ist. Bayern besteht aus sieben Regierungsbezirken, von denen nur einer, der Bezirk Oberbayern mit der Vorzeigestadt München, bei Unkundigen als das richtige, das echte Bayern gilt, mit Lederhosen und Oktoberfest und sonstigem Folklorequatsch. Würde man mit dem Auto aus von Ingelheim nach Bayern fahren, würde man auf der A3 das südliche Hessen durchqueren und dann ziemlich lange durch Landstriche fahren, deren Bewohner sich nicht als Bayern, sondern als Franken fühlen. Und wenn dann endlich Nürnberg umfahren ist, müsste eigentlich ein Schild kommen: Nach Süden beginnt nun die Road to Salvation, gradeaus hingegen, weiter nach Osten, folgt der Highway to Hell. Denn dann kommt die Opferpfalz. Dieser Landstrich gilt im sonstigen Bayern als ganz “da oben” oder “dort hinten”, duster, weit weg von jedem Platz an der Sonne; man spricht hier ganz merkwürdige Diphtonge, und wer das alles nicht glaubt, der sehe und höre auf Youtube den wunderbaren Georg Ringsgwandl mit dem Video “Opferpfalz” – an der Gitarre links vorne im übrigen Daniel Stelter aus Ingelheim.
IV. Die Regisseurin
Saralisa Volm (geb. 1985) hat bislang als Schauspielerin und Produzentin gearbeitet, sie hat mit Mamabeat und Das Ewige Ungenügend erfolgreiche Bücher veröffentlicht, in denen sie auf Erfahrungen mit ihren vier eigenen Kindern zurückgriff. Mit der Verfilmung des Romans Schweigend steht der Wald von Wolfgang Steinhauer legt sie nun einen beeindruckenden Debütfilm vor, der Horror, Krimi und Selbstfindung in der Aufdeckung eines grausamen Verbrechens mischt und mit einer stets geheimnisvollen Atmosphäre punktet (laut epd Film, 11/2022). Saralisa Volm schickt uns zur Einführung in den Film eine Videobotschaft aus Berlin.
V. Der Produzent
Filme von Ingo Fließ (geb. 1965) hatten wir bei F!F schon des öfteren. Vor zwei Jahren lief in der Kelterhalle von Mett & Weidenbach der beeindruckende Es gilt das gesprochene Wort, gedreht unter der Regie von İlker Çatak. In der Zwischenzeit hat das Team Çatak und Fließ einen weiteren Film gedreht, Das Lehrerzimmer, der 2023 mehrere Goldene Lolas erringen konnte, unter anderem als bester Film des Jahres. Nächstes Jahr, 2024 also, wird Ingo Fließ mit Das Lehrerzimmer bei F!F zu Gast sein, so wie 2016 schon einmal, als er gemeinsam mit dem Regisseur Oliver Haffner und dem Film Ein Geschenk der Götter das Boehringer Ingelheim Center bis auf den letzten Platz füllte und begeisterte. Wir freuen uns.