Vielleicht sind die Zeiten vorbei, in denen man sich als Intellektueller oder Künstler, in diesem Fall ein Schriftsteller, ganz einfach zurückziehen konnte, aufs Land, in ein abgelegenes Haus, um ein Buch zu schreiben. Und dabei intensiv über das eigene Leben nachzudenken und daran vielleicht sogar etwas zu ändern.
Viele Hindernisse stellen sich dem Schriftsteller Leon (Thomas Schubert) in den Weg, von denen sein ihn begleitender, langjähriger Freund Felix (Langston Übel) noch das kleinste ist – Felix wird sich im Laufe des Films von Leon fortbewegen, dabei aber immer loyal bleiben.
Schwerer wiegt, dass dies nun der zweite Roman werden soll, nach einem ersten, überraschend erfolgreichen; der zweite Roman ist bekanntlich der schwerste (was ja im übrigen auch für den zweiten Film gilt). Das bemerkt auch der Verleger Helmut (Matthias Brandt), der aus der Metropole zu Besuch kommt und Leons Versuche ganz eindeutig kommentiert. Die Krise wird nun deutlich: zumal sich Helmut vor allem sehr klar für eine der Ursachen von Leons Krisen interessiert, und das ist Nadja, eine junge Frau, die zusätzlich ebenfalls in dem Haus wohnt, das Leon vermeintlich in größtmöglicher Abgeschiedenheit bewohnen sollte und bewohnen wollte.
Nadja wird gespielt von der strahlenden Paula Beer, die man bei dem Regisseur Christian Petzoldt immer wieder sieht. Und Nadja spielt auch im Film, sie schlüpft innerhalb der Erzählung in verschiedene Rollen: sie ist Eisverkäuferin und Objekt einer Liebesssehnsucht, Muse eines älteren Mannes und selbst ambitionierte Schreiberin.
Nadja hätte die Leichtigkeit, die es für eine schöne Sommerkomödie im Kino braucht; bei den Männern kommen jedoch erotische Bedürfnisse und damit Spannungen auf, in verschiedene, kaum voraussehbare Richtungen. Der Verleger und ein weiterer Mann, ein gut aussehender Rettungsschwimmer, bringen zusätzlich Salz in die Suppe. Die fünf Personen in Christian Petzolds 18., lange Zeit entspanntestem Film hätten genug mit sich und untereinander zu tun.
Leider gibt es da noch die ringsum lodernden Waldbrände, und jener „Rote Himmel“ gibt dem Geschehen seine tragische Wendung. Diese Entwicklung macht aus dem leichten Film einen großen Film. „Die Geschichte vom endlosen Kreisen um sich selbst, von Sehnsucht und Eifersucht, während man gegenüber dem Rest der Welt so lange blind bleibt, bis die Katastrophe da und alles zu spät ist – sie passt nur zu gut in unsere Zeit. Umso beeindruckender die Zärtlichkeit und Nonchalance, mit der Petzold eine so humorvolle éducation sentimentale ins Desaster und dieses wiederum in die Sphäre der Kunst überführt.“ (Patrick Seyboth, epd Film Nr. 4, 2023, S. 62)
Das ist richtig und schon die ganze Wahrheit. Es kann (heute) nicht mehr nur um Innerlichkeit gehen, um das ewige Kreisen um die eigene Befindlichkeit und die Positionierung in den endlosen, vielfältigen Beziehungsgeflechten um einen herum. Die Gefahr ist da, und sie kommt – wenig überraschend – von Außen. Dem müssen sich auch die Bewohner der “Berliner Republik” stellen, die sich über so lange Zeiten vor allem um den eigenen Bauchnabel gekümmert haben. Die Zeiten sind nun so, das zeigt Petzolds Film unmissverständlich, dass ein Sich-Zurückziehen ins eigene, kleine Glück eindeutig zu wenig ist.