Walter Mitty (Ben Stiller) ist nicht gerade ein Gewinner. Seinen Job im Archiv des LIFE MAGAZINE in New York macht er verlässlich und still. Aus der Ferne himmelt er seine Kollegin Cheryl an, ist aber zu schüchtern, um sie um ein Date zu bitten. Sein digitales Datingprofil baut er gerade noch auf. Immerhin kommt Walter mit seiner Mutter und der extrovertierten Schwester klar. Sein Leben ändert sich erst, als LIFE online geht und sein Job in Gefahr gerät.
Eine Frage, die sich in jeder Kunst stellt: Wenn einem alle Mittel und das entsprechende Können zur Verfügung stehen, muss man dann auch alles einsetzen? Viele Filme aus den Genres Action, Phantasy und Kriegsfilm stellen diese Frage heute gar nicht mehr. Sie setzen das Publikum der digitalen Apokalypse einfach aus. Das mögen vor allem jüngere Zuschauer.
Ich kontere mit The Secret Life of Walter Mitty. Ben Stiller selbst hat Regie geführt. Wie in der Nachts im Museum-Reihe ist er auch hier ein leicht begriffstutziger Typ, der eine gute Intuition hat – und mehr als das. Walter hat die Gabe der digitalen Projektion. Was er an Wünschen hat, sehen wir; es realisiert sich als sein Sekundentraum vor unseren Augen. Seine Mutter sagt, er sei dann auf einem anderen Stern. Wir verstehen sofort, dass es hier um die Existenz in der Möglichkeitsform geht, um das ganze Superheldengedöns, das sich auch ein nicht ganz erwachsener 42-jähriger noch vorstellen kann.
Doch dann wird es ernst. Walter findet ein wichtiges Negativ nicht mehr – das klassische fotografische Negativ, das uns doch immer der vorfilmischen Realität versicherte; dieses ‘letzte Negativ’ sollte die letzte Ausgabe des Magazins schmücken. Walter unternimmt aus eigenem Antrieb Reisen nach Island und nach Afghanistan, um den Autor, einen berühmten Fotografen (Sean Penn), nach dem Original zu fragen. Der hatte den Plan, Walter damit auf seine Weise adeln, so wie Walter all seine Mühen zu guter Letzt zum Erwachsenen machen werden. Zum Glück aller sieht das auch Cheryl am Ende so.
Ein kleiner, orgineller Film. Schon die Titelsequenz ist ein Musterbeispiel dafür, wie man Schrift organisch ins Bild einbeziehen kann. Stiller verwendet gerne den Top Shot, um das Bild grafisch anzureichern. Jedoch agiert Walter Mitty nicht verliebt in seine Mittel. Beschränkung zur Erzeugung der notwendigen Aussage, so lautet das Credo der ‘ökonomischen’ Wahrnehmungspsychologie. Heißt übersetzt: Es braucht immer nur so viel technisch-gestalterischen Theaterdonner, wie der Geschichte dient.
Und Stiller treibt seine Story im Wechsel geschickt voran: Hier der Turbokapitalismus, der natürlich auch vor der Institution des legendären Fotomagazins nicht halt macht, dort die infantilen Phantasien des Protagonisten. Dieser Wechsel, der Rhythmus, das Tempo überzeugen jederzeit, weil die Register Realität und Phantasie stets sauber voneinander abgegrenzt bleiben, selbst dann, wenn die Realität zunehmend aus dem Ruder läuft. Sean Penns Fazit zur Beweiskraft von Fotografie, das er mit einer bemerkenswerten Verzichtsgeste zieht, lässt einen noch einmal über den Erkenntniswert des fotografischen Einzelbildes reflektieren. Der Schlenker in die Theorie setzt dem amüsanten Film die Krone auf.