FILMTIPP #28: THE SECRET LIFE OF WALTER MITTY/DAS GEHEIME LEBEN DES WALTER MITTY (USA 2013). AUF NETFLIX

Bildquelle: empireonline.com

Walter Mitty (Ben Stiller) ist nicht gerade ein Gewinner. Seinen Job im Archiv des LIFE MAGA­ZI­NE in New York macht er verlässlich und still. Aus der Ferne himmelt er seine Kollegin Cheryl an, ist aber zu schüch­tern, um sie um ein Date zu bitten. Sein digita­les Da­ting­profil baut er gerade noch auf. Immerhin kommt Walter mit seiner Mutter und der ex­tro­ver­tier­ten Schwester klar. Sein Leben än­dert sich erst, als LIFE online geht und sein Job in Gefahr gerät.

Eine Frage, die sich in jeder Kunst stellt: Wenn einem alle Mittel und das entsprechende Können zur Verfügung stehen, muss man dann auch alles einsetzen? Viele Filme aus den Genres Action, Phantasy und Kriegsfilm stellen diese Frage heute gar nicht mehr. Sie setzen das Publikum der digitalen Apokalypse einfach aus. Das mögen vor allem jüngere Zuschauer.

Ich kontere mit The Secret Life of Walter Mitty. Ben Stiller selbst hat Regie geführt. Wie in der Nachts im Museum-Reihe ist er auch hier ein leicht begriffstutziger Typ, der eine gute Intuition hat – und mehr als das. Walter hat die Gabe der digita­len Projektion. Was er an Wünschen hat, sehen wir; es realisiert sich als sein Sekunden­traum vor unseren Augen. Seine Mutter sagt, er sei dann auf einem anderen Stern. Wir verstehen sofort, dass es hier um die Existenz in der Mög­lich­keits­form geht, um das ganze Superheldengedöns, das sich auch ein nicht ganz erwachsener 42-jähriger noch vorstellen kann.

Doch dann wird es ernst. Walter findet ein wichtiges Negativ nicht mehr – das klassische fotografische Negativ, das uns doch immer der vorfilmischen Realität versicherte; dieses ‘letzte Negativ’ sollte die letzte Aus­gabe des Maga­zins schmücken. Walter unternimmt aus eige­nem Antrieb Rei­sen nach Island und nach Afghanistan, um den Autor, einen be­rühm­ten Foto­grafen (Sean Penn), nach dem Original zu fragen. Der hatte den Plan, Wal­ter damit auf seine Weise adeln, so wie Walter all seine Mühen zu guter Letzt zum Erwachsenen machen wer­den. Zum Glück aller sieht das auch Cheryl am Ende so.

Ein kleiner, orgineller Film. Schon die Ti­tel­sequenz ist ein Muster­beispiel dafür, wie man Schrift organisch ins Bild einbe­ziehen kann. Stiller verwendet gerne den Top Shot, um das Bild grafisch anzu­rei­chern. Jedoch agiert Wal­ter Mit­ty nicht ­ver­liebt in seine Mit­tel. Beschrän­kung zur Erzeugung der not­wen­digen Aussa­ge, so lautet das Credo der ‘ökonomischen’ Wahrneh­mungspsy­cho­lo­gie. Heißt übersetzt: Es braucht immer nur so viel technisch-gestalteri­schen Theaterdonner, wie der Geschichte dient.

Und Stiller treibt seine Story im Wechsel geschickt voran: Hier der Tur­bo­ka­pi­talismus, der natürlich auch vor der Institution des legen­dä­ren Fo­to­magazins nicht halt macht, dort die infantilen Phan­tasien des Protagonisten. Dieser Wechsel, der Rhythmus, das Tem­po über­zeu­gen jederzeit, weil die Register Realität und Phan­tasie stets sau­ber voneinander abgegrenzt bleiben, selbst dann, wenn die Rea­li­tät zunehmend aus dem Ruder läuft. Sean Penns Fazit zur Beweiskraft von Fotografie, das er mit einer bemer­kens­wer­ten Ver­zichts­geste zieht, lässt einen noch einmal über den Er­kennt­nis­wert des fo­togra­fischen Einzelbildes reflektieren. Der Schlen­ker in die Theorie setzt dem amüsanten Film die Krone auf.

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