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The most important thing is work. Die Mahnung des Meisters findet sich in dem schönen Requiem, das Lou Reed und John Cale posthum für ihren Mentor Andy Warhol geschrieben haben. Der Satz gilt für alle, die ihr Heil in der Kunst suchen, seien sie nun bildende Künstler oder Performance Artists, also Schauspieler oder Musiker. Talent, sagen erfahrene Lehrer, mache etwa zehn Prozent vom Erfolg eines Künstlers aus. Der Rest ist Arbeit – Üben, Üben, immer wieder Scheitern, neues Sich-Aufraffen und Weitermachen.
Bemühung, Leid und Neubeginnen kennzeichnen auch den Werdegang des jungen Jazzschlagzeugers Andrew (Miles Teller), der unter die Fittiche des berühmten Professors Terence Fletcher (J.K. Simmons) an einem ebenso berühmten New Yorker Konservatorium gerät. Eines der komplexen Stücke, das mit der Big Band geprobt wird, heißt “Whiplash”. Es ist kein Zufall, dass mit dem Wort im Englischen ein Schleudertrauma bezeichnet wird, und ebenso wenig, dass auch das Wort Peitsche darin steckt: Fletcher ist kaum weniger als ein Sadist, der seine Schüler quält. Keine verbale Attacke ist ihm zu nieder, um die ihm anvertrauten Studenten zur maximalen Leistung zu treiben.
Fletcher erkennt Andrews Talent. Somit hat er ein neues Opfer. Andrew übt und übt; in einem traurigmachenden Moment lässt er sogar seine einnehmende Freundin Nicole für die unsichere Karriere sausen. In der Auflösung, nach vielen Kämpfen, wird er sich gegen Fletcher durchsetzen. Er spielt sich frei; Narben werden bleiben. Da Andrews Vater sympathisch gezeichnet ist, schien sich der Sohn an dem musikalisch großen, charakterlich versagenden Professor abarbeiten zu müssen, um selbst groß oder auch nur erwachsen zu werden. In der Originalversion gelang mir nicht mitzuzählen, wie oft Fletcher das F*-Wort im Mund führt. Dem Eindruck nach, obwohl so nicht zutreffend, erleben wir ein Zweipersonenstück als einseitige Demütigung.
An Whiplash ist es möglich, Glanz und Elend jener konventionellen, populären Dramaturgie nachzuvollziehen, die wir mit Hollywood verbinden. Es gibt die klassischen drei Teile und dazwischen Plot Points, an denen Andrew dem Duell ausgesetzt ist, und den Point-of-Re-Attack (nach 48 min.), als dem Schüler endlich ein Gegenmittel einfällt. Die Back Story, die Hintergründe der Personen ‘vor dem Film’, spielen kaum eine Rolle. Im Unterschied zu Filmen, die mehrere kleine Story Arcs nutzen, gliedert hier ein einziger großer Bogen die Erzählung, mit einem Ziel (Goal), das Protagonist und Antagonist tatsächlich gemeinsam haben, während der Konflikt aus den verschiedenen Impulsen entsteht, jenes Ziel zu erreichen. Die sogenannten “Spannungsfragen” überwiegen bei weitem die “Neugierfragen”, das heißt: Wir wollen weniger wissen, warum ein Charakter so geworden ist, wie er ist, vielmehr interessiert uns sein aktuelles, oft überraschendes Verhalten in einer Lebenslage, die insgesamt alles andere als gewöhnlich ist.
Seit den 80er Jahren ist es im populären Film nicht mehr ausgemacht, dass es stets den guten Helden und den bösen Antagonisten gibt. Schon die Sache mit Nicole lässt einen zögern, in Andrew nur den Guten zu sehen; an diesem Punkt kommen sich Plot und Subplot, der in Hollywood fast immer eine Liebesgeschichte ist, in die Quere. Andrews manische Energie, die jeden Rückschlag mit noch mehr Arbeit und Engagment tilgen will, lässt einen weiter zögern, die Meisterschaft von Whiplash in einer neuaufgelegten Heldenreise zu finden, die per aspera ad astra führt. Und die Absicht, durch Arbeit zu Glück zu kommen, hat heute auch nicht mehr jede/r auf der Agenda.
So ist also nicht die Story in ihrem Verlauf, sondern die Präzision der Inszenierung, die Ökonomie der jeweiligen Dosis von Erfolg und Ekel, die Tempiwechsel, die Damien Chazelle hier wie erneut im vielgelobten La-La-Land (2017) nachweist, den wir als F!F-open air gezeigt haben. Dieses filmische Gespür hat sich der Regisseur vermutlich am Schlagzeug geholt, an dem er sich ähnlich wie sein Protagonist einst die Finger blutig trommelte.
Auch Whiplash gab es bei uns open air. Es war September und schon ziemlich kalt. Man sah Decken um viele Schultern. Es ist wohl nur schöne Einbildung, aber in der Erinnerung haben die Ingelheimer Jazzcombo Miles Away und der Film die Außentemperatur spürbar erhöht.