FILMTIPP #42: THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI VON MARTIN MCDONAGH (GB/USA 2017).

Headerbild Three Billboards

Auf Netflix.

Der Film beginnt mit einem klassischen hook, was sagen soll, dass er seine Zu­schauer sofort “am Haken” hat. Jeder fühlende Mensch versteht die Be­weg­gründe, die ei­ne amerikanische Mutter dazu bringen, den lokalen Sheriff zu mehr Eifer bei der Aufklä­rung der Vergewaltigung und des Mordes an ihrer Tochter anzustacheln. Dazu mie­tet die Mutter drei Billboards außerhalb Ebbing, Missouri. Die be­klebt sie mit blutroten Plaka­ten, auf denen sie ihre Forderung an den Sheriff adressiert.

Konflikte im Film – wie im Leben – entstehen dadurch, dass unter­schied­liche Menschen unterschiedliche Ziele verfolgen. Die Hauptfigur Mildred (Frances McDormand) hat von allen Beteiligten dieses Film zweifellos die stärkste Mo­tivation, ihr Ziel durchzusetzen. Anfangs möchten wenige die Botschaft wirk­lich hören, vor allem nicht der Ex-Mann, der mit sei­ner jungen Freundin beschäf­tigt ist und will, dass Mildred Ruhe gibt. Dagegen hört ihr der Sheriff zu, der schwer­krank ist und zum Verbündeten wird. Es gibt Sidekicks wie den jungen Po­li­zi­sten Dixon, dem seine rassistische Hal­tung und ein Mutter­kom­plex im Weg stehen, bevor seine Wandlung beginnt; schließlich einen klein­wüch­sigen Mann, der sich für Mildred interessiert und in einem entscheidenden Moment ebenfalls hilfreich zur Stelle ist.

In Filmen geht es um Kommunikation, die sich sozusagen unter der Küh­ler­haube in einem Drei­eck zwi­schen Au­tor/Re­gisseur, Story und Publi­kum ab­spielt. Das Benzin von Three Bill­boards ist, dass niemand eine zu­frieden­stel­lende Antwort auf Mil­dreds Frage hat, haben kann, selbst wenn irgend­wann ein Mörder gefasst wer­den sollte. Mil­dreds anhaltender Furor bringt, wie im Domino, im­merhin alle anderen da­zu, über ihr Leben nachzu­denken; bei dem einen ge­rät das zum Drama, beim nächsten zur Katharsis, bei wieder an­deren tut sich nichts. Charaktere sind die Ur­sachen, erst ihre Zie­le aber ge­nerieren die Effekte, die im guten Fall das Publikum honoriert.

Die Qualität von MacDonaghs Film macht aus, mit wieviel Lakonie und Ironie er Mildreds Drama aufbereitet; anders gesagt, betreibt er die (Auf­ar­beitung der) Tragödie mit den Mitteln der Ko­mö­die. Das wird oft sehr schräg.

Wenn es einen typischen Film der Coen-Brothers gibt, der nicht von den Coens stammt, dann ist es dieser. Frances McDormand ist mit Joel Coen ver­heiratet; ohne ihre schwangere Hüterin des Gesetzes in Fargo (1996) ist Mil­d­reds Charakter auch gar nicht vorstellbar. Für beide Rollen erhielt McDor­mand einen Oscar: wie Sam Rockwell, der als ras­sistischer, bru­taler und ver­sof­fe­ner Muttersohn Dixon – wieder einmal – glänzt. Bleibt die Figur des fa­ta­li­sti­schen Sheriffs (Woody Harrelson), den die Coens mit No Country for Old Men (2007) einführten. In Three Billboards wird er, wie in Tom Fords Noctur­nal Animals (2016), zur wahrhaft tra­gischen Figur. Doch wo die Coens gerne im kinematographischen Exzess ausrutschen, weil sie all ihre Mit­tel ausreizen, bleibt Three Billboards im Korsett eines Main­streamfilms. “Der Konflikt steigert sich. Jede Eskalation ist stärker als die letzte. Der/die Held/in ist immer mehr mitge­nom­men”, heißt es in einer Dra­maturgie des populären Films. Doch dann trete diese Person über ihre per­sönliche Grenze heraus und werde zu einer anderen. “Wut be­dingt immer nur grö­ßere Wut”, hört Mildred von einer Freundin. Irgendwann sieht sie das auch selbst ein.

Es bleiben zwei Auskünfte zu geben. Warum bieten wir als F!F einen so po­pulären Film an, den viele Zuschauer schon gesehen haben könnten? Das er­klären ganz einfach die knapp 100 Zuschauer, die sich an jenem Abend in ei­ner al­ten Scheu­ne drängelten. Genauso lakonisch eine Weisheit des Film­the­oretikers Rudolf Arn­heim, den ich spät in seinem Leben interview­en durfte. “Die besten Kunstwerke”, sagte Arnheim, “sind oft die bekanntesten.”

Und dann das Konzept von F!F – Filme möglichst immer an Orten zu zeigen, die genau zu diesem einen Film passen. So waren das Angebot dieses Mal so­zusa­gen drei dra­ma­tische und gesellige Stunden outside Ingelheim, Germany, in der Scheune eines Aussiedlerhofs, einer ehemaligen Mühle.

Trailer Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

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