Auf Netflix.
Der Film beginnt mit einem klassischen hook, was sagen soll, dass er seine Zuschauer sofort “am Haken” hat. Jeder fühlende Mensch versteht die Beweggründe, die eine amerikanische Mutter dazu bringen, den lokalen Sheriff zu mehr Eifer bei der Aufklärung der Vergewaltigung und des Mordes an ihrer Tochter anzustacheln. Dazu mietet die Mutter drei Billboards außerhalb Ebbing, Missouri. Die beklebt sie mit blutroten Plakaten, auf denen sie ihre Forderung an den Sheriff adressiert.
Konflikte im Film – wie im Leben – entstehen dadurch, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Ziele verfolgen. Die Hauptfigur Mildred (Frances McDormand) hat von allen Beteiligten dieses Film zweifellos die stärkste Motivation, ihr Ziel durchzusetzen. Anfangs möchten wenige die Botschaft wirklich hören, vor allem nicht der Ex-Mann, der mit seiner jungen Freundin beschäftigt ist und will, dass Mildred Ruhe gibt. Dagegen hört ihr der Sheriff zu, der schwerkrank ist und zum Verbündeten wird. Es gibt Sidekicks wie den jungen Polizisten Dixon, dem seine rassistische Haltung und ein Mutterkomplex im Weg stehen, bevor seine Wandlung beginnt; schließlich einen kleinwüchsigen Mann, der sich für Mildred interessiert und in einem entscheidenden Moment ebenfalls hilfreich zur Stelle ist.
In Filmen geht es um Kommunikation, die sich sozusagen unter der Kühlerhaube in einem Dreieck zwischen Autor/Regisseur, Story und Publikum abspielt. Das Benzin von Three Billboards ist, dass niemand eine zufriedenstellende Antwort auf Mildreds Frage hat, haben kann, selbst wenn irgendwann ein Mörder gefasst werden sollte. Mildreds anhaltender Furor bringt, wie im Domino, immerhin alle anderen dazu, über ihr Leben nachzudenken; bei dem einen gerät das zum Drama, beim nächsten zur Katharsis, bei wieder anderen tut sich nichts. Charaktere sind die Ursachen, erst ihre Ziele aber generieren die Effekte, die im guten Fall das Publikum honoriert.
Die Qualität von MacDonaghs Film macht aus, mit wieviel Lakonie und Ironie er Mildreds Drama aufbereitet; anders gesagt, betreibt er die (Aufarbeitung der) Tragödie mit den Mitteln der Komödie. Das wird oft sehr schräg.
Wenn es einen typischen Film der Coen-Brothers gibt, der nicht von den Coens stammt, dann ist es dieser. Frances McDormand ist mit Joel Coen verheiratet; ohne ihre schwangere Hüterin des Gesetzes in Fargo (1996) ist Mildreds Charakter auch gar nicht vorstellbar. Für beide Rollen erhielt McDormand einen Oscar: wie Sam Rockwell, der als rassistischer, brutaler und versoffener Muttersohn Dixon – wieder einmal – glänzt. Bleibt die Figur des fatalistischen Sheriffs (Woody Harrelson), den die Coens mit No Country for Old Men (2007) einführten. In Three Billboards wird er, wie in Tom Fords Nocturnal Animals (2016), zur wahrhaft tragischen Figur. Doch wo die Coens gerne im kinematographischen Exzess ausrutschen, weil sie all ihre Mittel ausreizen, bleibt Three Billboards im Korsett eines Mainstreamfilms. “Der Konflikt steigert sich. Jede Eskalation ist stärker als die letzte. Der/die Held/in ist immer mehr mitgenommen”, heißt es in einer Dramaturgie des populären Films. Doch dann trete diese Person über ihre persönliche Grenze heraus und werde zu einer anderen. “Wut bedingt immer nur größere Wut”, hört Mildred von einer Freundin. Irgendwann sieht sie das auch selbst ein.
Es bleiben zwei Auskünfte zu geben. Warum bieten wir als F!F einen so populären Film an, den viele Zuschauer schon gesehen haben könnten? Das erklären ganz einfach die knapp 100 Zuschauer, die sich an jenem Abend in einer alten Scheune drängelten. Genauso lakonisch eine Weisheit des Filmtheoretikers Rudolf Arnheim, den ich spät in seinem Leben interviewen durfte. “Die besten Kunstwerke”, sagte Arnheim, “sind oft die bekanntesten.”
Und dann das Konzept von F!F – Filme möglichst immer an Orten zu zeigen, die genau zu diesem einen Film passen. So waren das Angebot dieses Mal sozusagen drei dramatische und gesellige Stunden outside Ingelheim, Germany, in der Scheune eines Aussiedlerhofs, einer ehemaligen Mühle.