FILMTIPP #49: ARRIVAL VON DENIS VILLENEUVE (USA 2016).

Bildquelle: medium.com

Ein ungewöhnlicher Science Fiction-Film; eigentlich gar keiner, zumindest nicht so, wie man ihn aus dem Genre kennt. Zwar landen zwölf Raum­schif­fe auf der Erde, doch die Aliens richten keinen Schaden an, ha­ben kein offen­kun­diges Ziel, sind auf ihre Art nur da. Was Arrival, zu deutsch An­kunft, auf seine Weise dagegen verhandelt, sind die Grundregeln der Kommunikation:

• Wir wollen miteinander kommunizieren.
• Wir können miteinander kommunizieren.
• Beide Seiten finden eine Übereinkunft über den Punkt, um den es konkret gehen soll.

Nun ist das schwer möglich für Menschen, die es mit fluiden Kraken ähneln­den Wesen zu tun bekommen, mitsamt spitz zulaufenden Tentakeln, die Flüs­sig­kei­ten ausstoßen, welche sich wiederum zu unverständlichen Grafiken for­mie­ren. Die Tierähnlichkeit ist sicher kein Zufall, auch Tiere (wollen) kom­mu­ni­zie­ren, auch ihre Sprache kann man in Teilen lernen. Um der Mensch­heit zu eröffnen, was die fremden Wesen wollen, setzt das US-Militär die ver­sierte Lin­guistin Dr. Louise Banks (Amy Adams) mit ihrem Kollegen Ian (Je­re­my Renner) auf eins der Raumschiffes an. Und tatsächlich gelingt dem klei­nen Team, ins­beson­dere Louise, die im Zentrum des Geschehens steht, ein gewis­ser Fort­schritt im Kommunizieren. Im letzten Drittel, das span­nen­de Wen­dun­gen enthält, wird eine Botschaft der frem­den We­sen klar, die Louise entscheidend auch auf ihr eigenes Leben anwen­den kann.

Konventioneller in der Story wie in deren Darstellung ist das politische Fra­ming, das vom US-Militär, später dann von den Weltmächten USA, China und Russ­land gebildet wird. Weil ein Militär das Wort Waffe aus den Kom­muni­ka­tionsangeboten heraushört, setzen die Supermächte um ein Haar ihre ge­sam­te Kavallerie in Gang. Louise kann das in letzter Sekunde ver­hin­dern. Eine kleine US-Einheit hatte zuvor demonstriert, was passiert, wenn eine zur Eska­lation neigende Situation mit Waffengewalt zu lösen versucht wird. Eine ironische Note der Geschichte ist, dass die Aliens die kri­sen­hafte Zuspit­zung selbst auflösen. Es scheint, dass auch sie eine wichtige Erkenntnis gewinnen konnten, ehe sie sich in ihren Raumschiffen, die von den Menschen “Mu­scheln” getauft wurden, von der Erde wieder absentieren.

Das Ganze sei ein non-zero-sum-game, stellt Loui­ses Tochter Hannah fest: Alle haben etwas davon. Hannahs Existenz treibt, wie man bald versteht, das gesamte Han­deln der Lin­gui­stin an. Mit dem Kind gibt es keine Kommuni­ka­tion, au­ßer, man sieht es mit seiner Mutter in Voraus- oder Rückblenden zu­sam­men, wenn beide sich zeitgleich am selben Ort befinden. So­bald Kom­mu­ni­ka­tion statt­finden kann und die drei oben genannten Regeln zu­tref­fen, pro­fi­tie­ren beide Seiten. Das ist der philosophische Kern von Arrival.

Interessant ist der Ort, an dem die Linguisten mit zwei außerirdischen Wesen ‘sprechen’, die sie Abbott und Costello taufen. Die Wissenschaftler werden von unten in das UFO eingebracht und betreten dort einen Gang. An dessen Ende landen sie vor einer breitgelagerten, semi-trans­parenten Scheibe. Hinter dieser Schei­be befinden sich die Aliens, auf ihr hinterlassen sie ihre Zei­chen. Ein­mal mehr erscheint mit diesem Setting die Kinosituation paraphrasiert. Auch diese Kom­muni­ka­tion funk­tioniert theore­tisch wie im Kino: Irgendwer versucht uns et­was zu sagen, den wir nicht er­kennen und der uns mit Bildern und Sound ‘be­rühren’ will, die wiederum wir nur der Möglichkeit nach so verstehen wie sie ursprüng­lich gemeint sind.

Wie im tiefsinnigsten aller Science fiction-Filme, Kubricks 2001: A Space Odyssey (1968), wird aus dem Rätsel um ein zeichenhaftes Objekt am Ende eine Rätsel um die Zeit, die von Menschen offensichtlich immer erst ein­mal linear sowie aufgeteilt in Abschnitte, Epochen, humane Lebens­zyk­len gedacht wird. Dafür haben die Außerirdischen in Arrival eine Alter­na­tive, und damit auch der Film, der sich kreativ der weitestgehenden Gestal­tungs­mög­lich­keit des Mediums Films, dem Verräumlichen der Zeit, bedient.

“Are you dreaming in your language“, wird Louise einmal ge­fragt. Das ist auch fürs Kino eine ent­schei­dende Frage: Falls wir an diesem Ort über­haupt träumen und nicht denken, um zu ver­stehen, dann gilt es darauf eine Antwort zu finden: Träumen wir hier in einer Sprache?

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