Assault on Precinct 13 war schon der dritte Film des noch nicht dreißigjährigen John Carpenter. Hier dient er als Beispiel für die erste Generation von amerikanischen Regisseuren, die sich an einer Filmuniversität bildeten. Für Spielberg, Lucas, Scorsese, Coppola & Co. war aber nicht abstrakte Theorie, sondern die Tradition des amerikanischen Genrefilms Ausgang und Lehrmeister. Carpenter interessierte sich für Science Fiction und Western, später dann nur noch für den Horrorfilm. Für Assault ging er von einer Westernkonstellation aus – eine Überzahl von „Indianern“ belagert ein Fort oder einen Wagentreck. Dem fügte er Elemente des Revenge-Movies, des Prison-Dramas sowie die reale Frustration chancenloser Jugendlicher in den südlichen Suburbs von L.A. hinzu, die kriminelle Gangs bilden. Mit Assault entstand nicht zuletzt ein Blueprint sozialer Kritik, in der sich ein Zug der amerikanischen Zivilgesellschaft, und das nicht nur in Gestalt der Los Angeles Riots, sondern in allgemeinerer Weise & medial umschrieben wiederfindet.
Die Polizei hat im Einsatz einige Jugendliche erschossen. Eine kleine Gruppe schwört sich auf Rache ein. Aus ihr wird im Lauf des Films eine wahre Flut von Chicanos, Weißen und Schwarzen, die eine Bastion der Rechtsstaates angreifen. Immer mehr, immer anonymer erscheinende Angreifer sterben in immer schnelleren Abständen. Das ist der erste, actionreiche Zug der Erzählung (und ein aktueller Hinweis auf zivilen Ungehorsam, aus dem mehr wird).
Ein sehr seriöser, junger Polizist übernimmt einen precinct, eine Wache, die aufgegeben werden soll: der zweite, eher psychologische Strang.
Ein schwerbewachter Gefängnisbus transportiert verurteilte Verbrecher, darunter einen abgeklärten Kettenraucher und einen Gefangenen, der dringend ärztlicher Betreuung bedarf. Um dieses Problem zu lösen, wird Precinct 13, das Revier 13, gesucht und gefunden. Und damit das zentrale räumliche Setting des Films.
Ein Vater will seiner Tochter an einem fahrbaren Stand ein Eis kaufen. Das Kind mit den lustigen Zöpfen wird zum Opfer der Gang; der Vater, schwerst verstört, erschießt einen der Täter und flüchtet in die Polizeiwache: Strang Nr. 4 und point of attack.
Das Drama wird dichter. „This is a siege“, das ist eine Belagerung, stellt die Polizeisekretärin Leigh, eine echte Hawks-Lady, bald trocken fest. Als Final Girl wird sie am Ende die dramaturgischen Genregesetze mit erfüllen. Übrig bleiben am Ende nur vier zentrale Figuren. Man kennt sie nun und schätzt ihre Worte, ihre Moral. Und die Coolness. Man wird zum subtilen Komplizen im Kino, wo eigentlich eine Menge Distanz angesagt wäre. Carpenters Kunst liegt in der Verflechtung der Teilhandlungen, der Ordnung der Zeit, der kompositorischen Klarheit und Transparenz. Für Strukturalisten, die sich für den Bauplan eines Kunstwerks interessieren, ist dieser Film ein Studienobjekt ersten Ranges. Man könnte ihn graphisch sehr gut verdeutlichen. In einer solchen formalistischen Annäherung verschwänden automatisch auch die zahlreichen Gewaltspitzen. Tatsächlich stand der Film in Deutschland ein paar Jahre auf dem Index und ist erst seit 2005 in seiner Originalfassung zugänglich.
So ging auch Assault den Weg vieler, insbesondere religiöser Kunst: vom Skandalon zum ästhetischen Objekt, das wir museal bewundern. Darüber hinaus hat dieser Film einen einzigen Autor, oder, für die Kunstgattung Film passender, einen Künstler. Carpenter war gleichzeitig Regisseur, Autor, Monteur, Nebendarsteller und sogar Komponist des wahrhaft aufregenden, elektronischen Scores. Die lächerlichen 100.000 $, die das Ganze kostete, hat er wohl auch selbst aufgetrieben. So wird der Film zum Muster für eine Produktionsweise, die die überkommenen Stärken des Studiossystems in eine kleine, unabhängige und originelle Gestalt übersetzt und damit die Handschrift oder wieder besser: den Stil eines Regisseurs zur Geltung bringt. John Carpenter konnte das Versprechen Assaults selbst nie mehr einlösen (der erste Teil der Halloween-Reihe war noch nahe dran). Als Modell hat Assault seinen Platz im amerikanischen Filmhimmel sicher: Wie bei jedem Kunstwerk liegt das Geheimnis am Ende nicht im Erzählten, also auch nicht in einer etwaigen Kritik am hohen Body Count, sondern in der Form, die jede Erzählung in ästhetischer Weise erst zum Leuchten bringen kann.