Gut eine Stunde Filmzeit dauert es bis zur einzigen wirklich traurigen Stelle von Die Verurteilten. Der alte Brooks Hatlen hat 50 Jahre Gefängnis hinter sich. In die Freiheit entlassen, kommt er nicht zurecht. Aus freien Stücken zieht er die letzte Konsequenz, die ihm bleibt.
Drinnen wird Andy Dufresne (Tim Robbins) Brooks’ Nachfolger als Leiter der Gefängnisbücherei. Andy sitzt ein, weil er seine Frau und deren Liebhaber erschossen haben soll. Der ehemalige Banker ist so rein und alles-wohl-bedenkend, dass man sofort für die Wiederaufnahme seines Falls unterschreiben würde. Draußen sei er ein ehrlicher Mensch gewesen, sagt er einmal, erst hinter Gittern wäre er zum Gangster geworden: Er hilft dem diktatorischen Direktor des Shawshank-Gefängnisses, Geld auf die Seite zu schaffen. Doch Andy Dufresne ist nicht nur ein missgeleiteter Heiliger, er ist auch schlau. Von Anfang an hat er einen Plan.
Im wirklichen Leben geht die Phase des Eingesperrtseins aufgrund der Corona-Pandemie nun zu Ende. Daher ist es an der Zeit, hier auf den friedlichsten und harmonischsten aller Gefängnis-Filme hinzuweisen. Von The Shawshank Redemption wird man von Anfang an glänzend unterhalten; darüber hinaus ist der Film ein einziges Plädoyer für Menschlichkeit, Ehre und Freundschaft. An seinem unvermeidlich positiven Ende bekommt der Film aus Hollywood sogar einen Zug ins Eschatologische. Die wörtliche Übersetzung des Titels, die “Erlösung von Shawshank”, wäre daher für ihn auch passender.
Dass man sich in der Geschichte um den sonst oft leicht unbehaglichen Tim Robbins (man sehe ihn in Eastwoods Mystic River!) so wohl fühlt, liegt vor allem an dem besten Freund, den ein Mann wie Andy haben kann. Morgan Freeman spielt diesen Red. Andere Männer, Freunde, sind auch noch da. Sie kommen und gehen. Das Ganze ist die platonische Liebesgeschichte eines Weißen mit einem Schwarzen in einer harten Welt, ohne Peinlichlichkeiten bis zum schönen Ende erzählt.
Frauen kommen, bis auf das Opfer des Anfangs, nicht vor. Und doch spielen auch Rita Hayworth, Marylin Monroe und Raquel Welch mit, aufgedruckt jeweils auf ein Plakat. Die wechselnden Diven geben der Erzählung den zeitlichen Rahmen: zwei Jahrzente ab 1946. So lange sitzt Andy ein, unschuldig, wie sich schließlich herausstellt. Genauso “unschuldig” wie das klassische Hollywood, das in dieser Spanne nochmals blühte. Der Filmwissenschaftler David Bordwell, Kopf der einflussreichen neoformalistischen “Schule von Wisconsin”, spricht vom klassischen Hollywood dennoch nicht als einer zeitlich gebundenen Erscheinung, sondern von einem Mode of Production, einem Qualitätsstandard. Ausschlag für die Qualität Hollywoods sei, dass ein von hier kommender Film immer gut aussehe und darüber hinaus von allen akzeptiert werde, vom sogenannten Unschuldigen Zuschauer wie vom Cineasten, dem Sophisticated Viewer.
Beides belegt The Shawshank Redemption aufs Schönste. Der Film sieht so gut aus wie ein teures Auto, ein romantisches Schloss oder ein Gemälde, die man sehend genießt, aber nicht haben muss. Und er wird auf der ganzen Welt verstanden.
So ist dieser Film auch ein Stellvertreter für das oft geschmähte Hollywood, und durch das folgende Kuriosum wird dieses marktorientierte System, das Pop und Kunst produziert, vollends geadelt: Laut Internet Movie Database ist The Shawshank Redemption der beliebteste Film der Welt, noch vor Schwergewichten wie Der Pate und The Dark Knight. Und das seit 12 Jahren. Viele Millionen Zuschauer haben darüber abgestimmt und sind sich einig.
2 Gedanken zu „FILMTIPP #7: THE SHAWSHANK REDEMPTION/ DIE VERURTEILTEN VON FRANK DARABONT (USA 1994). NETFLIX.“
Wie hieß die Oper, in der die die zwei Damen sangen. Alle sahen zum Himmel? Es ist ein schönes Duett. Wer kann mir da helfen?
Hallo Karl-Heinz, wir haben uns die Szene nochmal angeschaut. Man sieht kurz das Cover: La Nozze die Figaro, also Figaros Hochzeit vom guten alten Wolfgang Amadeus. Es gibt dazu einen guten Artikel bei https://operawire.com/opera-meets-film-what-the-iconic-scene-from-the-shawshank-redemption-says-about-operas-greatest-power/. Da erfährst Du auch den Titel der Arie.
Man kann gar nicht genug Mozart hören in pandemischen Zeiten wie diesen – aber bald haben wir es ja geschafft und dann sehen wir uns bei den Filmfreunden?