Ein Kunstwerk, das es so eigentlich nicht geben nicht dürfte. Man reibt sich die Augen: Ein Film aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, poetisch, proletarisch und ohne manifesten Hinweis auf die in Deutschland in diesem Moment noch Herrschenden. Klarheit sollte allerdings auch darüber bestehen, dass der Film nicht ohne die Beihilfe des Regimes entstand, entstehen konnte. Zu Beginn beendet Carl Raddatz, der anderswo durchaus auch Nazi-Helden spielte, eine Affäre mit einer jungen Frau, dargestellt von einer Neunzehnjährigen (Hildegard Knef) aus der Ufa-Nachwuchsschule. Gedreht wurde teils in den Babelsberger Studios; eine Kahnpartie im Berliner Tiergarten ist als technisch aufwendige Rückprojektion zu erkennen. Bekannt war auch, was man an Käutner hatte, gehörte er doch für Joseph Goebbels zu den Nachwuchsregisseuren, die man auf „zeitnahe Stoffe“ ansetzen könnte; der Herr Minister wünsche, heißt es in den Akten, „von Fall zu Fall über den Einsatz des Spielleiters Käutner unterrichtet zu werden“.
Andererseits ist der Film immer noch wunderbar anzusehen, leicht, sprühend witzig, mit viel Berliner Schnauze, die ihren Charme auch aus dem Improvisieren der überzeugend berlinernden Hauptschauspieler bezieht. Manches ist gar nicht oder schwer zu verstehen, was dem Vergnügen kaum Abbruch tut – dafür gibt es den Alltagslärm von Motoren, von den Straßen der Stadt, in stilleren Momenten das Quaken der Frösche und das Schnattern der Enten. Wir als Filmfreunde waren sehr dankbar für eine neu gemasterte Tonfassung, die uns René Ruppert zur Verfügung stellte, der in jenen Tagen noch mitten in seiner Dissertation über den Regisseur Helmut Käutner steckte. Der Clou unserer Aufführung von Unter den Brücken war der Ort, das Innere, „der Bauch“ eines ähnlichen Frachtkahns, wie er im Film zu sehen ist. Die Cassian Carl lag sonst in Mainz und war von einem Bauunternehmer umgebaut worden, der an Bord Konzerte, Tanzveranstaltungen und dergleichen durchführen wollte. Diesen, für ein paar Tage unseren Kahn nutzen wir für eine Woche „Kino auf dem Strom“. Zu dem Käutner-Film kamen zu der einführenden Gesprächsrunde der Filmwissenschaftler Norbert Grob und mit Sebastian Schnurr ein Kurator der Murnau-Stiftung, die das Deutsche Filmerbe von vor 1945 verwaltet.
Carl Raddatz und Gustav Knuth brillieren als unterschiedliche Typen, die gemeinsam einen Kahn betreiben und dabei die meiste Zeit „am Haken hängen“: Sie werden in einem Schleppverbund mit anderen gemeinsam gezogen, denn ihr eigenes Schiff hat noch keinen eigenen Motor. Das zu ändern ist eines der Ziele der beiden Freunde, die sich die meiste Zeit ziemlich gut ergänzen. Der eine, Hendrik (Raddatz), ein Tatmensch, strategisch, charmant und clever, der andere, Willi (Knuth) herzlich, doch oft zu gutmütig. Die beiden sind selbst schon ein gutes Paar, doch fehlt beiden – die Frau. Das ändert sich, als Anna (Hannelore Schroth) an Bord kommt. Anna hat Probleme, die sich aus ihrer Einsamkeit ergaben – sie war aus Schlesien nach Berlin gekommen und hatte sich in der Großstadt auf einen Maler eingelassen, der sie nackt malen wollte. Diese Spur führt den Film zu kaum verklausulierten ironischen Seitenhieben auf die Kunstpolitik des Regimes, das Nacktheit als Ideal forcierte, ohne Erotik öffentlich werden lassen. Darum, wer Anna in sein Schlafzimmer führen darf, geht es in Unter den Brücken auch. Käutner machte aus dem Thema einen kleinen, lockeren Film mit charmanten Wendungen. Bedeutend ist, wie oft im leichten Genre, dennoch die Spur der Geschichte, oder beim Film: Ansichten und Zeichen der Zeit, die eingewoben sind, ohne aufdringlich oder wie ein erhobener Zeigefinger zu wirken.
„Silberhell hör ich‘s lachen“, knurrt Knuth einmal gegen Ende. Silberhell hätte die Zukunft des Films in Deutschland werden können. Unter den Brücken wäre als ein möglicher Auftakt zu denken für neue, amüsante Tonkomödien aus Deutschland – Ansätze dafür gab es bis weit in die 30er Jahre. Mit den 50ern wurde Unterhaltung hierzulande allerdings ziemlich platt; Käutners zwischen den Zeiten entstandener Film wäre auch dann als Sonderfall erschienen. Ihrerseits zur Ausnahme wurde in den 50ern eine Reihe von zeitnah-authentischen Filmen, die erst seit kurzem neu geschätzt werden. Käutners Beitrag zu diesem„geliebten und verdrängten“ Erbe war Schwarzer Kies (1961), eine Generalabrechnung mit dem amerikanisch grundierten Wirtschaftswunder – ein Film auch für Rheinhessen, weil er von den Anfängen des Flughafens Hahn im Hunsrück erzählt. Unter den Brücken deutet nicht zuletzt an, was dem deutschen Film nach dem NS-Regime an Chancen tatsächlich offengestanden hätte.