In The Thomas Crown Affair von 1999 spielt Rene Russo eine selbstbewusste Frau, die einem Mann begegnet, der noch ein ganzes Stück smarter ist als die smarte Versicherungsagentin. Thomas Crown hat mit einer List einen Monet aus dem Metropolitan Museum entwendet. Sie soll das Bild zurückbringen; bald will sie den Mann obendrein. Ein unterhaltsames Katz und Maus-Spiel beginnt, das zu Hase-und-Igel mutiert. Wobei der Igel im Fokus steht, Russo, die zu dem Zeitpunkt 45 Jahre alt war und ihre Zweifel, ihre Verletzlichkeit, ihre Ohnmacht überzeugend spielt. Darf sie etwa, darf frau sich von einem Mann angezogen fühlen, obwohl sie weiß, dass er ein Dieb ist? Wenn und weil er so aussieht wie Pierce Brosnan und so reich ist wie Nelson Rockefeller, ein sportliches Luxusleben zelebriert und das Ganze mit dem täglichen Besuch nicht beim Lieblingsitaliener, sondern beim Lieblingsimpressionisten im Museum garniert?
Keine ernsthafte Frage. Eine Hollywood-Saga, ohne jeden Zweifel.
Man kann diesen Film von der Jahrtausendwende sehen auch ohne seinen Vorläufer, The Thomas Crown Affair von 1968 (inszeniert von Norman Jewison) zu kennen, doch der Vergleich hilft. Dort bilden das attraktive Paar Steve McQueen und Faye Dunaway, letztere eine weitere europäische Extravaganz Hollywoods nach Audrey Hepburn in Breakfast at Tiffany’s und Shirley MacLaines Irma la Douce. Französisch inspiriert ist auch der Ohrwurm “The Windmills of your Mind”, zu hören in einer Schlüsselszene in Sachen persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung, um die es hier wiederholt geht. Das Bemühen, originell & zeitgemäß zu sein, merkt man dem Film auch auf den beiden entscheidenden Levels an, dem formalen, wenn im Splitscreen zu Anfang jedes Kapitels mehrere Handlungen parallel nebeneinander laufen, und der Story, die von einem gleich kühnen (und logisch genauso widersinnigen) Plan handelt wie später der Nachfolger. Hier lässt ein gelangweilter Millionär ein paar Typen eine Bostoner Bank überfallen, Männer, die sich nicht kennen und nicht kennenlernen werden. Die Räuber bleiben marginal, der Film interessiert sich allein für das hinter dem Plan steckende Mastermind und dessen Verfolgerin und Geliebte. Was den Mann antreibt, bleibt letztlich verborgen. Der existenzielle Ennui des älteren Thomas Crown drückt sich nur in immer neuen Hobbys aus, die mit einer goldenen Zeit Amerikas und seinem Aufstieg zur reichsten Industrienation zu tun haben und nichts von den Zeichen der bewegten Sechziger Jahre erkennen lassen.
Kein Rebell also, ein Individualist und ein kapitalistischer Snob. Diese Eigenschaften werden im zweiten Film noch gesteigert: Die vier Millionen Dollar, die das Gesamtvermögen von Thomas Crown I. ausmachen, würden Thomas Crown II. allenfalls ein müdes Lächeln abringen. Der spielt nicht mehr Golf, sondern manövriert einen High-Tech-Katamaran, er klinkt sich nicht allein im Segelflieger aus, sondern mit der Freundin, mit der auch im Privatjet auf die Antillen fliegt. Und er ist neuerdings ein Liebhaber der schönen Künste, besonders der Malerei.
Warum er allerdings während eines komplizierten Raubversuchs, der prompt schief geht, allein im Met zurückbleibt, den 100 Millionen-Manet klaut, die Tafel zu einem Pissarro übermalen lässt, die Fälschung dem Museum als Leihgabe überlässt, damit sie im Finale furioso von der Sprinkleranlage reingewaschen und als Manet wieder sichtbar wird – diese Logik müsste mir mal jemand überzeugend erklären. Aber was ist schon logische Wahrscheinlichkeit beim Film – der Blockbuster Die Hard hat, nüchtern betrachtet, einen ähnlich hanebüchenen Plot und schnurrt im Kino so geräuschlos und genussbringend wie eine gute Nähmaschine. Hinter der Filmnähmaschine saß in beiden Fällen der Regisseur John McTiernan.
Auch wenn Thomas Crown den Treffer nebenbei landet: Er macht uns klar wie kaum ein anderer Film, wie viel ein Gemälde ab der Nachmoderne gilt, nämlich nicht mehr und nicht weniger als im Kunstbetrieb dafür auf den Tisch gelegt wird. Kein gemaltes Original steigert seinen Preis, verschieden von anderen gestaltenden Künsten, durch Vervielfältigung; die bringt kein Mehr, doch auch nicht weniger Erkenntnis. Dass der Film für diese Einsicht ein Motiv von René Magritte nutzt, ist eine Hommage an den Maler, der uns immer dazu auffordert, sinneszentrierte Wahrnehmung und Erfahrung sowie den musealen Objektkult zu hinterfragen und statt dessen die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Bildsujet zu forcieren.
Der Film hat noch einen anderen Clou. Es ist eine alte Geschichte/Doch bleibt sie immer neu/Und wem sie just passieret/Dem bricht das Herz entzwei, heißt es beim Klassiker. In Hollywood leidet dann meist die Frau. Dieser retardierenden Tradition folgend, finde ich dennoch kaum sonst einen Mann des jüngeren Hollywood dermaßen “männlich” überzeichnet wie diesen WASP Thomas Crown.
Wieder einmal klärt uns Klaus Theweleit über die Dimension jener hegemonialen Perspektive auf: Mit dem Untertitel Göttermänner und Menschenfrauen arbeitet er diesen männlich-dominanten Blick als Pocahontas-Mythos an populären Bildmaterialien heraus: Von der frühen Neuzeit über den Barock bis zur Pop-Moderne tummeln sich attraktive Frauen, um von Helden befreit zu werden; das sinnenfreudige, durch den Sehsinn bestimmte 17. Jahrhundert tut sich da besonders hervor. The Thomas Crown Affair belegt, dass die Saga von der Befreiung vom Regime der Kunst durch das echte Leben (im Kino) spielerisch weitergeführt wird.